Zeichnung:Steffen Butz



Lenz - Zuschauerecho

Mit Georg Büchners Lenz „beginnt die moderne europäische Prosa“ hat Arnold Zweig einmal festgestellt. Diese 1835 in Straßburg entstandene Prosa ist nun fast zwei Jahrhunderte später vom Xenia-Theater (Karlsruhe) eindrucksvoll auf die Bühne gebracht worden. Büchners Prosafragment über die psychische Krise von J. M. R. Lenz, Autor des Sturm und Drang und Freund des jungen Goethe, während seines Aufenthaltes bei dem seinerzeit bekannten Pfarrer Oberlin im abgelegenen elsässischen Steintal vom 20. Januar bis zum 8. Februar 1778 ist überzeugend dramatisiert worden, das Erzählte wird auf der Bühne lebendig.

Die intelligente und einfühlungsreiche Inszenierung von Nathalie Cellier hat die Atmosphäre des Textes voll und ganz eingefangen, unterstützt und umgesetzt durch die schauspielerische Leistung von Peter Steiner und der Cellistin (Cornelia Stank). Die Cellistin ist die ganze Zeit über auf der Bühne in aller Dezenz präsent – dies nur einer der zahlreichen überraschenden Einfälle dieser Inszenierung. Aus der Fülle solcher Einfälle, die dazu beitragen, dass Büchners Erzählung so wirkungsvoll verlebendigt erscheint, sei aus dem Interieur nur das berühmte „Gebirg“ herausgegriffen, das im Wortsinn konkret gemacht ist und gerade dadurch zugleich die vielfältigen Bedeutungsaspekte transparent macht.

Mehr sei nicht verraten, denn das muss man sehen, hören, erleben. Nicht nur für Kenner und Kennerinnen von Büchners Prosafragment dürfte der „Lenz – eine musikalisch-szenische Autopsie“ des Xenia-Theaters ein Erlebnis sein, sondern auch für Zuschauer- und Zuschauerinnen, denen die literarische Vorlage unbekannt ist. Für die Kenner und Kennerinnen aber erschließt sich das in der Literaturgeschichtsschreibung vielzitierte Wort des Schriftstellers Karl Gutzkow über Büchners „Autopsie“ durch diese sehr gelungene Inszenierung in ganz neuer Perspektive.

Prof. Dr. Ariane Martin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz